Sprachbarrieren mit Hilfe von OpenStreetMap überwinden

Herzlichen Dank an Stephan und die Wochennotiz, dass wir dieses Interview übernehmen dürfen.

Gruppenfoto einiger Mitglieder des Comenius Projektes (England/Hull, 2014)
Gruppenfoto einiger Mitglieder des Comenius-Projekts (England/Hull, 2014)

Eine Gruppe von Freiwilligen hat damit begonnen, die Wochennotiz in verschiedene Sprachen zu übersetzen.

Die schnelle Entwicklung von Tools und Tagging-Schemata sowie eine wachsende Anzahl von Gruppen und Mappern, die zum OpenStreetMap-Projekt beitragen oder dessen Daten nutzen, machen es schwierig und zeitaufwändig, über alle wichtigen Entwicklungen im OpenStreetMap-Universum auf dem Laufenden zu bleiben.

Seit 2010 hat sich das Wochennotiz-Team zur Aufgabe gemacht, eine wöchentliche Zusammenfassung der Nachrichtenlage zu publizieren, die “Wochennotiz”. Viele der deutschsprachigen Zusammenfassungen wurden rasch ins Englische übersetzt. Nach über 220 Ausgaben der Wochennotiz und 100 Übersetzungen ins Englische standen Veränderungen an: Ein internationales Team startet mit einer internationalen Ausgabe der Wochennotiz, der “weeklyOSM”, die auf der Wochennotiz basiert. Durch die Übersetzungen wird die Wochennotiz nun auch für englische, spanische, türkische, rumänische und japanische Muttersprachler zugänglich. [Anm. der Red.: Nach dem Interview sind nun auch eine französische und tschechische Ausgabe hinzugekommen.]

Wir freuen uns, die Mitglieder des weeklyOSM-Teams zu interviewen.

Die Fragen stellte Stephan vom Wochennotiz-Team.

WN: Manfred, Du bist vielen aus der deutschsprachigen OSM Community bekannt und Du bist der Leiter des Übersetzungsteams. Wer sind die Menschen im Team und wie hast Du sie kennengelernt? Wer hatte die Idee dazu, die Wochennotiz in verschiedene Sprachen zu übersetzen? Und wie kommunizieren die Teammitglieder miteinander?

Manfred (Deutschland): Ich bin nicht der Leiter des Übersetzungsteams. Ich bin der Koordinator eines Comenius-Projektes mit dem Namen “Meine Community und meine Geschichte in OSM”. Bei weeklyOSM sehe ich mich eher als primus inter pares, denn ohne gelebtes Teamwork funktioniert so ein Comenius-Projekt niemals. Zusammen mit Madalina aus Rumänien habe ich bereits in einem früheren Comenius-Projekt (BoostOSM) gearbeitet. Die Idee dabei war es, OpenStreetMap tatsächlich einen “Boost” in verschiedenen Ländern (wie zum Beispiel in Portugal, Slowenien, Rumänien und der Türkei) zu geben. Im Wiki findest Du eine Reihe von Ergebnissen dieses Projekts, das vom European Shared Treasure als Starprojekt 2013 bewertet wurde. 

Da wir so gut zusammengearbeitet hatten, wollten dies mit OpenStreetMap aber einem veränderten Fokus fortsetzen. Wir fanden für das neue Projekt ausgezeichnete Partner in Großbritannien und Spanien. Eine türkische Schule stieß ein halbes Jahr später zu der Kerngruppe hinzu. Das ist, kurz gefasst, die Geschichte unserer Partnerschaft. Da wir schon bei BoostOSM Softwareübersetzungen mit OSM-Bezug mit SchülerInnen gemacht hatten, nahmen wir die Idee von Marc Gehling gerne auf und wollten ursprünglich einen Newsletter zu OSM herausbringen. Als aber Pascal Neis ankündigte, seine weekly einstellen zu müssen, waren sich alle Partner sehr schnell einig, die Übersetzungen der Wochennotiz fortzuführen, da die Übersetzungen in mehrere Sprachen sicherlich der Community von OSM förderlich sein würde.

WN: Dieses Projekt ist ja recht ambitioniert und hat das Potential, Kommunikationsprozesse zwischen den verschiedenen nationalen OSM-Communities zu vereinfachen. Werdet ihr auch von der europäischen Union über das Comenius-Projekt finanziell unterstützt? Falls ja, habt ihr schon genauere Pläne, wie das Team das Geld ausgeben könnte? Und wie profitieren die teilnehmenden Schulen vom Projekt?

Manfred (Deutschland): Ich weiß, dass jede Woche viele Leute auf das Erscheinen der Wochennotiz warten. Ich konnte mir also gut vorstellen, dass solche Meldungen wie in der Wochennotiz auch Mapper interessieren könnten, die weder Deutsch oder Englisch beherrschen. Da ich eine Weile in Lateinamerika gelebt hatte, wusste ich, dass eine spanische Übersetzung (oder eventuell auch eine portugiesische) sehr hilfreich für die Communities und die Mapper dort würde.

Das Comenius Programm (seit 2014 Erasmus+ genannt) stellt Geldmittel für gegenseitige und obligatorische Besuche der teilnehmenden Schulen bereit. Das Geld unseres letzten Projekts hat leider für die Reisekosten der teilnehmenden SchülerInnen und LehrerInnen nicht ganz ausgereicht, so dass jeder Teilnehmer auch selbst einen Betrag beisteuern musste. Da ist also kein Geld übriggeblieben und wir müssen nicht darüber nachdenken, was wir mit etwaigen übrigen Geld anstellen könnten. Im Gegenteil, wir haben das Angebot von OpenSaar die aktuelle Webpräsenz zu sponsoren dankend angenommen.

WN: Habt ihr schon Pläne für die Zeit nach dem Ende der Finanzierung des Projekts?

Madalina (Rumänien): Ich bin vor drei Jahren durch das vorherige Comeniusprojekt zu OSM gestoßen und wusste zu dem Zeitpunkt überhaupt nichts über OpenStreetMap. Jeden Tag aber fand ich interessante Sachen und etwas, wofür ich mich und meine SchülerInnen begeistern konnte. Meine Geschichte ist nicht ungewöhnlich. OpenStreetMap macht süchtig. 😉 Daher denke ich, dass unser Projekt nicht einfach so enden wird, wenn die Finanzierung ausläuft. Wir planen, die weeklyOSM weiter anzubieten, mit englischen, rumänischen, spanischen und japanischen Übersetzungen. Wir arbeiten gerade daran, feste Teams von Übersetzern in jeder Sprache zu etablieren, um eine kontinuierliche Arbeit gewährleisten zu können. Ich denke, dass wir Lösungen finden werden – auch mit Hilfe der OpenStreetMap-Community, die mich immer wieder positiv überrascht hat.

WN: Wer leistet denn momentan die Übersetzungsarbeit? Wie funktioniert der Prozess ungefähr?

Andrew (Großbritannien): Ich habe das Privileg, Manfreds bereits sehr gute Übersetzung ins Englische zu nehmen und auf Rechtschreibung zu überprüfen. Ich begann mich im Projekt zu engagieren als unsere Schule einer der Hauptpartner des Projekts wurde. Unsere SchülerInnen haben vom Projekt sehr profitiert und ich hoffe, dass wir sie in den nächsten Jahren weiter in das Projekt werden einbinden können.

WN: Wieviel Zeit braucht ihr, um die verschiedenen internationalen Ausgaben der Wochennotiz zu produzieren? Habt ihr da schon Erfahrungswerte?

Carlos (Spanien): Wir versuchen, unsere Aufgaben an der englischen weekly zu organisieren. Wenn die englische Version erschienen ist, planen wir Zeit für den Tag ein, um die Ausgabe zu übersetzen und zu korrigieren. In unserem Fall schreiben die involvierten SchülerInnen einen ersten Übersetzungsentwurf. Sobald der fertig ist, treffen wir uns, korrigieren ihn und diskutieren alle möglichen Fragen, die bei der Übersetzung aufgeworfen wurden. Der ganze Prozess dauert ca. 2 bis 3 Tage. Die SchülerInnen kennen sich mit technischen Begriffen aus und verstehen ihre Bedeutung meist schneller als ich. Wir wollen eine qualitativ gute Übersetzung und wir strengen uns an, gute Arbeit zu machen, weil es das einfach wert ist! Die weeklyOSM verbreiten wir in Spanien und auch in ganz Lateinamerika.

WN: Die Wochennotiz enthält ab und an Informationen, die eventuell nur für die deutschsprachige Community relevant ist, wie zum Beispiel Termine für Stammtische. Was macht ihr mit diesen Meldungen, wenn ihr die internationalen Versionen erstellt?

Manfred (Deutschland): Wir lassen alle Informationen für die internationalen Ausgaben weg, die nur für Deutschland relevant ist, wie zum Beispiel regionale Konferenzen. Unser größtes Defizit zur Zeit ist die kontinuierliche Beobachtung von Beiträgen aus wichtigen Ländern, wie beispielsweise Brasilien und allen lateinamerikanischen Ländern. Vielleicht kann hier die neue talk-latam Mailingliste dabei helfen, diese Lücke zu füllen.

WN: Habt ihr schon Ideen, wie ihr für die internationalen Ausgaben in den nationalen Communities werben könnt? Wie kommuniziert ihr mit den nationalen Communities? Woher wissen die, wann eine neue Übersetzung publiziert worden ist?

Madalina (Rumänien): Jede Woche kündigen wir die neue Ausgabe über die nationalen Mailinglisten und über Twitter an. Unser spanisches Team hat daneben eine ganze Reihe von Mailinglisten in Lateinamerika abonniert (zum Beispiel talk-es und talk-latam). Das rumänische Team wirbt daneben auch in einer öffentlichen Facebook-Gruppe, die eine sehr gute Sichtbarkeit in der rumänischen OSM-Community hat.

Satoshi (Japan): Wie Madalina nutze auch ich Twitter für die Ankündigung der japanischen Ausgabe. Ich glaube, dass es einfach Bedarf dafür gibt, einige wichtige Meldungen herauszugeben für Leute, die sonst wenig Zeit haben. Ich denke, dass Kontinuität eine der wichtigsten Eigenschaften dieses Projekts ist.

WN: Welche Hilfe braucht ihr? Gibt es da irgendwelche offenen Stellen bei euch im Team?

Anthony (Großbritannien): Teammitglieder aus allen beteiligten Schulen spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung und bei der Aktualisierung von www.weeklyosm.eu. Jede Schule trägt dabei auf unterschiedliche Weise bei. Wir verfolgen da einen kollegialen Ansatz, den wir in den letzten Jahren durch ein gemeinsames Verständnis unserer Ziele und gegenseitigen Respekt gefördert haben. Anstehende Entscheidungen werden offen diskutiert, bevor sie getroffen werden. Obwohl es keine offizielle Hierarchie im Team gibt, ist es schwer zu leugnen, dass Manfred diejenigen anleitet, die etwas weniger Erfahrungen mit OpenStreetMap haben. Wir arbeiten daran, www.weeklyosm.eu weiterzuentwickeln, und wir suchen Freiwillige, die sich unserem Team anschließen, um weitere Übersetzungen in bisher noch nicht unterstütze Sprachen auf unserer Seite anbieten zu können.

WN: Falls interessierte Leser eine weitere Übersetzung für eine zusätzliche Sprache beisteuern wollen: Wen sollten sie dafür kontaktieren?

Anthony (Großbritannien): Die Beliebtheit der weeklyOSM wächst von Woche zu Woche. Die Seite wird von Menschen aus aller Welt besucht. Es wäre großartig, die Seite weiterzuentwickeln und es mehr Menschen zu ermöglichen, die Wochennotiz in ihrer eigenen Muttersprache zu lesen. Wir sind sehr daran interessiert, die Anzahl an unterstützten Sprachen zu erhöhen. Vor kurzem erst wurden wir von Satoshi angesprochen, der nun die Wochennotiz ins Japanische übersetzt. Jeder, der sich dem Team anschließen und es unterstützen möchte, die Wochennotiz zu übersetzen, sollte uns eine Email schreiben.

WN: Vielen Dank für eure Zeit und euer Engagement! Alles Gute für euer Projekt!

Das Leitungsteams der ÜbersetzerInnen sind LehrerInnen oder Direktoren an den folgenden Schulen:
Großbritannien: Andrew Chupp, Anthony Bennett: Archbishop Sentamu Academy, Kingston upon Hull
Spanien: Carlos Alonso: Instituto de Enseñanza Secundaria A Sangriña, A Guarda
Rumänien: Madalina Ionescu: Liceul Tehnologic General Magheru, Rm. Valcea
Deutschland: Manfred Reiter, Uwe Engstler: Geschwister-Scholl-Schule Berufsbildende Schule Saarburg
Satoshi IIDA erstellt die japanischen Übersetzungen der Wochennotiz.

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